Linksdrall


„Jetzt ist sie weg. Weg. Und ich bin wieder allein, allein…“. Dieser Ohrwurm verfolgt mich. So ein Quatsch. Ich bin weder allein und weg ist sie nur vorrübergehend, wenn auch verdammt lange.
Ich umklammere den Morgenkaffee und bin froh, heute frei zu haben. Der Abschied war ein Kraftakt. Die letzten Wochen auch irgendwie.

Ich gehe unter die Dusche … um sie zu schrubben.



Ich räume den Duschkorb aus. Balea Dingenskirchen gegen zauseliges Haar kann erst mal weg, ebenso das Gesichtswasser gegen fettige Haut. Den Zahnputzbecher annektiere ich, den wollte ich immer schon haben. Ebenso die Bodylotion. Der Bademantel geht in die Wäsche, die Handtücher auch.
Ich räume auf, ich räume um, schneide die Hecke, lösche Überweisungsvorlagen im Online-Banking. Ordnung muss sein. Muss?
Ordentlicher wird es werden. Finde ich gut. Ruhiger wird es auch werden. Finde ich nicht gut. 
Ihre Schlagfertigkeit, ihr Witz, ihr gnadenloser Humor, ihre Spontanität, die Diskussionen, ihre Leidenschaft und die Fähigkeit sich in Rage zu reden, die Gradlinigkeit, ihre hammerharte aber mittlerweile mit Diplomatie gewürzte Kritik, ihr ansteckendes Lachen, sogar ihre After-Heavy-Party-Laune vom Wochenende und vieles was ich noch gar nicht abschätzen kann, wird mir fehlen.
Mein Herz balanciert zwischen Stolz und Wehmut. Im Moment ist es einfach noch schwer. Linksdrall halt. 

Text © Andrea Steffen
Foto © Yamel Photography
 

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