Abgeschmückt!
„Wann wird eigentlich der Baum
abgeholt?“
„Montag früh.“
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Als erstes die Kugeln. Immer als
erstes die Kugeln. Mit einer Drehbewegung werden sie von den Zweigen gehakt und
in Seidenpapier gewickelt.
So
wie man Ohrringe abzieht und zurück auf Samt ins Schmuckkästchen bettet.
Als nächstes kommt die Lichterkette
an die Reihe, wird Kerze für Kerze ganz ordentlich in die dafür vorgesehene Verpackung gepackt.
So
wie die langen Halsketten, die sich sonst heillos verheddern würden.
Dann werden die Sterne
vorsichtig von den Zweigen gestreift.
So
wie man ein Trägertop sanft über die Schulter zieht.
Danach sind die Engel an der
Reihe, deren Flügel aus Federn so empfindlich und weich sind.
So
weich wie der Flaum im Nacken, wenn man die Haare anhebt.
Als letztes muss der Draht gelöst
werden, mit dem der etwas zu kitschige Rauschgoldengel an der Spitze befestigt
ist.
So
wie man mit Fingerspitzengefühl Ösen enthakt.
Durch die trockenen Zweige wird der
Blick frei auf den Stamm, der tiefe Rillen aufweist, wo die Katzen ihre Krallen
gewetzt haben.
So
wie die Zeit Falten ins Gesicht gemalt hat.
Tannennadeln rieseln auf den Boden,
knistern unter der Berührung.
So
wie Winterhände beim Öffnen einer Gürtelschnalle.
Da steht er der Baum. Abgeschmückt.
Pur.
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*
*
„Magst Du eigentlich noch, was Du
siehst?“
„Mehr denn je.“
Foto und Text: Andrea Steffen
Labels: Heilige Drei König, Tannenbaum, Weihnachten; Weihnachtschmuck