Schneisen
fräsen
Arbeitsteilung
ist eine gute Sache. In der Ehe sowieso. Im Garten auch.
Bei uns gilt:
Rasen - er, Rest - ich!
Rasen ist folglich
nicht mein Ding. Ich weigere mich. Was nicht funktioniert, wenn er mal nicht da
ist und das satte Grün wie bekloppt im Sekundentakt wuchert, weil Mann es
morgens vertikutiert, gelüftet, geharkt, mittags gedüngt, gehätschelt, gegossen
und nachts bei Mondschein esotherisch mit einer Mischung aus ökologisch
astreinem Weizen und biosphärischem Hopfen
bequatscht hat. Glaube ich zumindest.
Deshalb muss
ich ran und der Rasen auch. Also am besten gegen Abend, wenn alle sowieso vor
der Aktuellen Stunde hocken und warten, dass Mutti die Schnittchen auftischt.
Dachte ich zumindest.
Das Gefährt,
welches den Rasen cutten soll, ist schnell aus dem Winterschlaf in der Gartenlaube
schnitttauglich gemacht. Geht doch. Ginge noch besser, wenn man auch die
Außensteckdose angeschaltet hätte. Na ja, jeder Anfang ist schwer.
Jetzt ist
Multitasking gefragt. Kann ich. Knopf drücken, Hebel ziehen, Scheren auf Touren
kommen lassen, Hebel weiterhalten, losschieben. Eine satte gerade Bahn mitten
durch die Rasenfläche geschnitten. GEIL!
Äh und jetzt?
Linksrum oder rechtsrum? Egal, weitermachen. Wobei natürlich das Kabel im Weg
liegt. Ich bücke mich, um das Kabel auf die Seite zu schwingen. Dabei lasse ich
den Hebel los und der Motor stirbt. Kein
schönes Geräusch. Also von vorne. Anlassen, umdrehen, schieben. Eine zweite
Bahn, mit nur einem winzigen Igelrand parallel zur ersten zieht sich dahin. Siehste,
siehste, ein Kaktus in der Wüste, würde meine Schwiegermutter jetzt verkünden.
„Hey, was
wird das denn?“, schallt es übern Gartenzaun. „Ich übe.“ „Das sehe ich.“
Ignorieren und weitermachen. Der Igelrand ist ratzfatz abgemäht, allerdings
liegt das Kabel wieder vorm Mäher. Dieses Mal bin ich schlauer. Ich bücke mich,
halte den Hebel weiter, schwinge das Kabel weit ins Beet und … köpfe dabei drei
Tulpen. Natürliche Auslese. Weitermachen!
Vielleicht
sollte ich es mal im Rund probieren. Der Rasen als Tartanbahn! Gute Idee. Es
geht an den Randsteinen lang, wobei mich irritiert, dass sich das Motorengeräusch plötzlich ändert.
Ein Blick zurück zeigt, dass die Wildhyanzinthen, die aus dem Beet ragen, leicht
geraspelt aussehen. Scheiße aber auch, welcher Idiot pflanzt die denn so nah an
die Rasenkante?
Weitermachen!
Wobei … das Kabel meinen Weg kreuzt. Nicht irritieren lassen. Ich gebe das
Garten-Cowgirl und schwinge mein Lasso weit über den Kopf. Dabei rupfe es sich
von ganz alleine unsanft aus der Steckdose am Mäher. In die Stille ruft ein
Mensch, der sich Nachbar nennt und die Aktuelle Stunde oder Muttis Schnittchen
verschmäht „Schönes Schnittmuster, Lady. Ich hätte da noch eine Hose zu nähen.“
Ich fummele das Kabel in die Steckdose, antworte mit einem Aufheulen des Motors
und einem Schwung des Kabels, der seinesgleichen sucht, weil sich das Kabel
nämlich dabei im Baum verhakt.
Ach, die
Leiter aus der Garage ist schnell geholt und auch der Ruf über die Hecke „Die
Kastanien sind doch noch gar nicht reif“, kann mich nicht davon abhalten,
kurzerhand 10.000 Kalorien zu verbrennen, die man fürs Baumklettern nun mal so
braucht. Ich schaffe es runter, ohne mich am Kabel zu erhängen und die
Gartenclogs zu verlieren. Ich finde, das Projekt schreitet voran. Kurze Zeit
später kann ich feststellen, dass sich Ziergräser im Beet mit dem Rasenmäher
sehr adrett in Flachformen fräsen lassen.
Bleiben nur
noch ca. 80% an Rasenfläche, wobei es langsam dunkelt. Mein Kater kommt
angestratzt und spricht mir miauend Mut zu. Gutes Tier. Ich mähe und streichle
gleichzeitig. Wie gesagt, Multitasking kann ich. Außerdem ist mein Kater ein
glückliches Tier. Das heißt, er hatte Glück. Sein Schwanz ist nämlich noch
dran.
Das konisch
gebogene Schachbrettmuster im Rasen nimmt akkurate Formen an und ich denke,
dass ich mich in Kürze wohl für die Gartenbaumeisterschaft im Rasenmähen auf
Schloss Dyck bewerben kann. Mein vierter Nachbar guckt übers Gartentor, er hat
Mülldienst. Wir klönen eine Runde, bis er anmerkt, man solle nicht unbedingt im
Stehen mähen, weil dann die Stelle darunter etwas kahl werden könnte. Da hat er
Recht, links und rechts des Mähers fliegen braune Erdbröckchen. Dynamisch. Das
sieht eher nach Schneise mit Tendenz zur Fallgrube aus. Ja, durchaus eine gute
Stelle für einen Gartenteich. Der Anfang ist gemacht.
Der Rest ist
ein Klacks. Ich wickel mir nur einmal das Kabel um meine Füße, kippe den
Rasenschnitt neben die Biotonne, renne im Dunkeln die Vogeltränke um und fahre
mit dem Mäher nur ganz kurz über die Einsteckhülse der Wäschespinne.
Abends simse
ich an den Rasenbeauftragten: „Aufgabe erledigt, Kabel heil, Mäher auch, Katze
ebenfalls. Gartenteich so gut wie angelegt, Beziehung zu Nachbarn ausgebaut.“
Anschließend fange
ich mit meinem neuen Buch an. Es hat den Titel: „Der Rasen, mein Freund.“
Danach google ich im Internet nach einem Aufsitzrasenmäher. Ich finde, ich bin
bereit für die nächsthöhere Aufgabe.