It’s Showtime, Baby!
Einmal im Jahr lasse ich die Katze aus dem Sack!
Es geht nie auf die sanfte Tour. Leider.
Tragekorb auf, Katze gepackt, Tragekorb zu.
Eine Schrecksekunde herrscht Ruhe im Korb und dann setzt es
ein. Das Jammern! Ich bugsiere Katze plus Korb auf den Beifahrersitz und
schnalle beide fest. Ordnung muss sein. Eine Nachbarin kommt vorbei. „Och, hat
sie sich schwer verletzt?“ „Nein, wir fahren zum Impfen.“ Das Gesicht meiner
Nachbarin drückt ungefähr folgendes aus „Alles klar, draußen den King of
Currywurst geben und bei dem Anblick einer Spritze in Ohnmacht fallen.“ Sie hat
Recht. Und sie ist verheiratet. Sie weiß, wovon sie spricht.
Ich starte den Wagen, der Kater jankt. Er starrt mich aus
riesengroßen Augen mitleidheischend durch die Schlitze des Korbes an. Kacke!
Darauf kann ich gar nicht. Ich murmele beruhigende Worte. Der Kater greint. Ich
tituliere ihn wahlweise mit so schwachsinnigen Koseworten wie Muckelbär,
Schnöckelein und Miezemausi! Hilft nichts. Ich könnte das Radio aufdrehen, aber
das wäre ein zusätzlicher Stressfaktor für das Tier. Das kann ich nicht
wirklich gebrauchen.
An der Ampel lasse ich das Fenster herunter. Ich brauche
Luft. Der Fahrer neben mir auf der Abbiegespur guckt irritiert. Ich grinse
debil und lasse die Scheibe wieder hoch. Der Kater maunzt was das Zeug hält.
Ich erinnere mich an das abendliche Singen für den
Weltfrieden im Westerwäldischen Ashram. Und singe Mantras für den
Katzenfrieden. Der Kater legt die Ohren an. Ich kann’s verstehen. Er nölt
weiter.
Zur Beruhigung stecke ich einen Finger durch einen Schlitz
im Tragekorb. Er reibt sich dran. Alles wird gut. Er atmet tief und … jault
mehr als vorher. Ich versuche den Finger aus dem Schlitz zu ziehen. Das
misslingt, der Finger steckt bis zum Knöchel fest. Ich gucke in den
Rückspiegel. Hinter mir staut sich eine Schlange. Kein Wunder bei 40 km/h mit
Überholverbot auf der Landstraße. Ich gebe Gas. Jetzt jault der Motor.
Irgendwie klar bei Tempo 70 im 2. Gang.
Ich reiße den Finger aus dem Schlitz und jaule ebenfalls, allerdings lauter als
Motor und Kater.
Der Kater wimmert und ich kriege so langsam Pestbeulen an
den Ohren. Die nächste Ampel bete ich an, dass sie auf grün umschaltet. Sie tut
mir den Gefallen. Jetzt nur noch zwei Straßen und wir sind da. Das
Katzengeflenne stoppt in dem Moment, in dem ich den Wagen ausschalte.
Katzengott sei Dank. Und setzt in dem Moment wieder ein, in dem ich die Türe
öffne und den Katzenkorb abschnalle.
Ich betrete die Tierarztpraxis und der Kater schreit, als
wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Gefühlt 100 Augenpaare richten sich auf
uns, ein Zweibeiner springt auf, kloppt wild an die Tür des Behandlungszimmers
und schreit „Ein Notfall, ein Notfall!“ Eine ältere Dame streichelt mir beruhigend
den Arm und meint: „Sie dürfen vor, das ist ja wohl Ehrensache.“ Die
Arzthelferin erscheint auf das wilde Geklopfe, sieht uns und sagt lapidar „Ach,
Sugar ist mal wieder da“, zieht die Tür zu und geht ihrer Arbeit nach.
Ich beruhige alle Anwesenden peinlich berührt, setze mich,
meinen roten Kopf und den Kater im Korb auf den nächstbesten Stuhl. Der Kater
zetert derweil weiter wie bescheuert. Vermutlich ist er das auch. Die Tür
öffnet sich und ein riesiger Rottweilerkopf guckt auf meinen Schoß direkt in
den Katzenkorb. Das Flennen verstummt schlagartig. Möglicherweise hat sich das
mit dem Impfen jetzt erledigt. Ich linse in den Korb. Kater in Schockstarre mit
aufgestellten Haaren und gurkendickem Schwanz! Danke Rotti!
Die Tür zum Behandlungsraum öffnet sich. Sugar bitte. Das
Klagen beginnt erneut. In voller Lautstärke. Bevor der Kater aber dran kommt,
beäugt mich die Tierärztin. „Was haben Sie denn da am Finger gemacht.“ „Äh,
kleine Schürfwunde.“ Ich werde verarztet mit einem Mittelchen namens „Tod allen
Keimen“ und Pflaster. Es brennt höllisch, ich beiße die Zähne zusammen,
blöderweise auch auf meine Backentasche. Aber ich gebe die Heldin! Kein Mucks!
Nur Schluckauf!
Wir öffnen den Katzenkorb. Schreck! Die Katze ist
verschwunden. Bei näherer Betrachtung allerdings sehen wir, dass sie bloß mit
dem Frotteehandtuch am Boden assimiliert ist. Es ist erstaunlich wie platt sich
Katzen machen können.
Der Kater besteht nur noch aus Pupille und versenkt seinen Kopf
zwischen den Pfoten. Er kann einem leidtun. Die Untersuchung von Ohren, Zähnen,
Fiebermessen und Abtasten lässt er nur noch leicht lamentierend über sich
ergehen, nicht aber ohne Schweißfußabdrücke auf dem Behandlungstisch zu
hinterlassen und möglichst viele Haare von sich zu werfen. Normal! Die Spritze
ein Klacks. Er zuckt nicht mal.
Er wird gelobt, wie brav und tapfer er wieder war. Er
bekommt ein Leckerchen, das er ganz hochherrschaftliches Tier erst mal
verschmäht. Ich will auch ein Leckerchen, ein Jules Mumm wäre nicht schlecht.
Ich drücke eine horrende Summe bei der Arzthelferin ab und
begebe mich auf die Heimtour. Der Kater maunzt weiter ob der anmaßenden
Behandlung und dem doofen Geschaukel. Ich bin zu erschöpft, um Mantras zu
intonieren oder Schmuseworte zu knödeln. Ich will ins Bett und zwar sofort!
Zuhause angekommen stellt der Kater sein Geheule sofort ein,
stolziert hoch erhobenen Schwanzes aus dem Korb und präsentiert sich seiner
Gefolgschaft als Held des Tages. Ich sinke ermattet aufs Sofa. Der Kater
bekommt Leckerchen und Streicheleinheiten satt und ich muss mir meinen Kaffee
selber machen.
Wenn ich nochmal auf die Welt komme, dann als Katze bei
unserer Familie. Und dann einmal im Jahr: It’s showtime, Baby!