Einmal Pläte polieren. Das sollte doch wohl nicht so schwer sein, zumal Oppa weitaus unkomplizierter mit seiner verbleibenden Haarpracht umging als meine
Omma. Männer sind da irgendwie lockerer. Ältere. Oder?
Wie auch immer,
Oppa brauchte weder den Spiegel als Kontrolle, noch wollte er sich vorher die
Haare waschen. „Ach watt. Trockenschnitt wie immer.“ Also rückte sich Oppa
den Küchenstuhl mitten in der Küche zurecht und nahm Platz. Ich drapierte Ommas grünen Frisierumhang um ihn herum.
Schade, dass es damals noch keine Smartphones gab. Das wäre auf jeden Fall ein
Foto wert gewesen.
„Dass Ihr mir
ja auch gleich die ganzen Haare hier wegsaugt“, ließ meine Omma verlauten und
stellte den Vorwerk schon mal in Reichweite. „Ja Ommi, saugen ist mit
inbegriffen.“ Dann konnte es losgehen.
Selbstbewusst
griff ich zu Haushaltsschere und Kamm, kämmte glatt, was da so an Haaren übrig
war und machte mich ans Werk. Alles kein Problem. Hier ein bisschen und da ein bisschen und dann
erstmal gucken. War ein wenig asynchron, aber nichts was man nicht geraderücken könnte. Also links noch was ab und rechts
dann noch mehr und hinter den Ohren schön ausschneiden und dann hier noch was
ab und da noch was ab und zuletzt natürlich den Nacken ausrasieren.
Sah toll aus! Ich war mir sicher, hier eine neue und regelmäßige Geldquelle aufgetan zu haben. Ich würde Oppa jetzt alle 2 Wochen die Haare schneiden - mindestens - und somit alle vier Wochen auf dem Rücken von Blacky die ewigen sauerländischen Weideweiten durchqueren.
Oppa befreite
sich vom Frisierumhang und machte sich auf den Weg zum Flurspiegel. Er sagte
nichts, wendete sich, drehte sich, wollte dann doch mal den Handspiegel zum
Gucken haben. In froher Erwartung, dass er seinen neuen Look und frischen Style
zu würdigen wusste, drängte ich ihn zu einem Urteil. „Sach schon, wie findste
denn?“
Mein Oppa
nestelte umständlich seine Brieftasche aus der rechten, hinteren Hosentasche und zückte einen
5-Mark-Schein. Er überreichte mir ihn mit den Worten: „Versprochen ist
versprochen. Aber das Geld kriegste dafür, dass Du mir nie mehr im Leben die
Haare schneidest!"
Foto und Text: ©Andrea
Steffen