Während der ganzen Prozedur unterwarf ich mich einer strengen
Befragung. „Kind, was haste denn heute schon gegessen? Wer war der Junge, der
gestern immer vor Eurem Wohnzimmerfenster mit dem Rad im Kreis gefahren ist und
hochgeschaut hat? Was haste in der Deutscharbeit? Wieso trägt der Vater von
Susanna jetzt die Haare so lang? Hast Du schon wieder die Shorts kürzer
geschnitten? Wann bist Du eigentlich letzten Samstagabend nach Hause gekommen (DAS
wusste sie ganz genau!)?“ Und wehe, ich hätte auch nur eine Frage unbeantwortet
gelassen. Da konnte sie streng sein.
Am Ende des Verhörs saßen die Haare aufgewickelt stramm am
Kopf. Ich bewundere noch heute meine Omma, dass sie diese schmerzhafte Prozedur
jede Woche klaglos über sich ergehen ließ. Heutzutage läuft sowas unter
Lifting.
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Haare schön! |
Am Schluss musste ich ihr mit einem Handspiegel noch den
Kontrollblick auf den eigenen Hinterkopf ermöglichen. Alle Haare akkurat
aufgewickelt? Prima, dann noch das lilafarbene Tuch umgebunden und es konnte
weitergehen. Das lila Tuch besitze ich übrigens heute noch. Es ist zerschlissen
und nicht brauchbar, aber einmal im Jahr beim Schubladen ausmisten, denke ich
an meine Omma und die Sache mit den Haaren.
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Das war noch Qualität! |
Für die ganze Aktion bekam ich übrigens jede Woche 5 DM und
besserte so mein Taschengeld auf. Zweimal Haare eindrehen = eine Reitstunde. So
meine damalige Rechnung. Während ich also den Heiermann verstaute, Spiegel und
restliche Utensilien wieder wegräumte, wuselte meine Omma schon in der Küche,
denn wie gesagt, Punkt zwölf, Mittag!
Samstags gab’s Eintopf. Immer! Schnibbelbohneneintopf,
Linsensuppe, Graupensuppe. Und Brötchen. Meine Mutter stand Punkt zwölf auf der
Matte und damit war das Kochen für den Samstag schon mal erledigt. Meine Omma
lies es sich nicht nehmen, uns alle zu bedienen. Gegessen wurde natürlich in der Küche. Ich könnte jetzt
sagen, dass meine Omma das Verhör ausweitete, aber … na ja, wir ließen die
Woche Revue passieren.
Und bei einem dieser Gespräche strich sich mein Oppa
nachdenklich über seinen Schädel. „Hömma, wenn Du der Omma immer so schön die
Haare machst, willste mir die nicht auch mal schneiden. Kriechste auch von mir
fünf Mark dafür“, schlug er mir vor.
Sofort blitzte ein Bild von meinem inneren Auge auf. Ich sah
mich schon mit wehenden Haaren auf Blacky über die weite Prärie des Sauerlandes
galoppieren! „Klar, kann ich machen, Oppa.“ Und so war das geritzt, nächsten
Samstag also Doppelstunde Friseur.
Fortsetzung folgt
Foto Lockenwickler: ©jackmac34/pixabay
Restliche Fotos und Text: ©Andrea Steffen