Ohrenbetörend


Die morgendliche Stille ist ohrenbetörend. 

Noch steht die Sonne tief, leckt mit ihren schräg einfallenden Strahlen die Regentropfen der Nacht von der weiß getünchten Verandabrüstung. Eine Libelle nutzt die Umrandung für eine kleine Pause oder vielleicht beäugt sie auch die blaue Tasse mit dem ersten Kaffee des Tages. 
 
Im Apfelbaum summt und kreist es schon munter. Eine Hornisse klettert vorsichtig um die Zweige. Ob sie es auf die Wespen abgesehen hat oder die überreifen Äpfel ist nicht zu erkennen.
Aus dem nahen Schilf ist das dumpfe „Dung Dung“ irgendeines Wasservogels zu hören. Ein erstes Motorboot tuckert in noch verhaltenem Tempo übers Wasser. Das nimmt der Hahn im Garten zum Anlass sein kräftiges Organ erschallen zu lassen. Weithin hört man sein Geschrei und prompt antwortet ein Hahn vom gegenüberliegenden Ufer. So geht es eine Weile. Hahn-Pingpong. Ich drehe die Kaffeetasse in den Händen und muss grinsen. Jeden Morgen das gleiche Spiel. 


Pfauenauge

Ein Pfauenauge spreizt in Zeitlupe seine Flügel und lässt sich von der Sonne wärmen. Der Wind raschelt ein wenig in den Apfelbäumen und eine Elster zetert von der Stromleitung herunter, ehe sie sich in die Himbeeren stürzt. Majestätisch schwebt ein Reiher übers leicht gewellte Wasser und landet mit einem hörbaren „Flapp flapp flapp“ auf dem angrenzenden frisch geernteten Weizenfeld. Hier tummeln sich bereits etliche Krähen und streiten um die besten Plätze. 

Lieblingsplatz am Morgen
 

Die Libelle beendet ihr Sonnenbad und macht sich mit einem kaum hörbaren Schwirren auf den Weg in den Garten. Eine Hummel, bereits jetzt ganz gelb und berauscht vom vielen Blütenstaub nimmt eine Abkürzung durch die Hütte. Sie brummt taumelnd durch die Eingangstür herein und zum Schlafzimmerfenster direkt wieder raus. Der Wind nimmt sein Spiel mit den Apfelbaumblättern wieder auf, während die Grillen erst zögernd, dann zunehmend mutiger ihr Morgenkonzert beginnen.
Ich sitze und lausche der ohrenbetörenden Stille eines schwedischen Morgens in den Schären. Die Welt ist in diesem Moment im perfekten Gleichgewicht.

Text und Fotos: ©Andrea Steffen

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