Allein am rechteckigen
Grote Markt könnte man Stunden verweilen, säumen ihn doch nicht nur barocke
Zunfthäuser an drei Seiten sondern auch das gotische Rathaus.
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Links das Stadtmuseum, rechts daneben die Fassade mehrerer Zunfthäuser |
Der Blick
schweift vom goldblitzenden Erzengel Michael an der Spitze des Turms, über
filigranen Zierrat auf die Gegenseite zum Brüsseler Stadtmuseum mit typischer
Renaissancearchitektur. Der Mensch dreht sich im Kreise und hat schnell eine
Nackenstarre. Also besser noch eine weitere typische Sehenswürdigkeit abgehakt:
Das Manneken Pis (jawohl, nicht Männeken, sondern Manneken).
Die 39 cm hohe
Bronzestatue ist nicht der Rede wert. Trotzdem scharren sich die Touristen um
einen dieser wenigen letzten originären Stadtbrunnen, während sie dabei eine
der typische Brüsseler Waffeln vertilgen.
Ein Stückchen
weiter begegnen uns zwei junge Männer Arm in Arm, wie sie in waghalsiger
Perspektive über eben das Gebäude schlendern, auf dem sie verewigt wurden.
Comics genießen in Belgien ein hohes Ansehen, sind Anlass für Festivals und
Vortragsreihen und überraschen in Brüssel den Besucher überwiegend im Westen
der Stadt.
Zeit für eine
kleine Pause, am besten in einer der zahlreichen Brasserien am Straßenrand oder
bei einem Patissier. Café mit einem kleinen petit four oder aber eine Tartine
(Stulle) und ein leckeres Bier? Und da fängt die Qual der Wahl erst richtig an.
Wie wäre es mit einem Lambic, das nur noch in wenigen Estaminets (Kneipen)
ausgeschenkt wird? Oder ein Geuze? Lieber ein fruchtig-süß-saures Kriek? Wir
entscheiden uns für ein Chimay.
Die Vielzahl bringt mich so durcheinander, dass
ich auf Französisch bestelle, auf Spanisch korrigiere und mich auf Englisch
anschließend entschuldige. Jedes Bier wird stilecht in einem anderen Glas
serviert. Die durstige Kehle lechzt nach Erleichterung und der nicht mehr ganz
kühle Kopf spürt recht schnell die acht Umdrehungen. Pas mal!
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Voll lecker! |
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Bier-Tempel |
Ent-
sprechend
gestärkt, nimmt man die in den Galéries Royal St-Hubert ausgestellten
Luxusgüter mit der notwendigen Nonchalence. Vor Wind und Regen geschützt
stolziert der staunende Tourist durch die Edelshoppingmeile, beäugt in den
hochglanzpolierten Schaufensterauslagen ungeheuer teuren Schnickschnack und
tastet sicherheitshalber die eigene Börse in der Hosentasche ab.
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Trockenen Fußes flanieren |
Ein Schlenker
lohnt in die Galéries des Princes mit ihrer ausnehmend schönen alten
Buchhandlung „Tropisme.“ Hier lässt es sich in prachtvollem Ambiente in teuren
Bänden blättern.
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Köstliches beim Patissier ... mmh! |
Aber genug des
Rummels. Bewusst wenden wir uns vom Zentrum ab Richtung Sablon, auch heute noch
eines der begehrtesten und teuersten Wohnviertel Brüssels. Das gotische
Schmuckstück „Notre Dame du Sablon“ überstrahlt nach einer aufwändigen
Restaurierung den Grand Sablon. Unweit locken zwei der besten Chocolatiers
„Wittamer“ und „Marcolini“ mit Pralinen und Schokolade der Luxusklasse.
Ausnahmsweise lassen wir diese aber links liegen und steuern den Park gegenüber
an, den Petit Sablon.
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Idyllische Oase mit Blick auf die Notre Dame du Sablon |
In dieser kleinen grünen Oase mit bequemen Bänken und
gepflegten Blumenrabatten kann man in aller Ruhe die neuesten Eindrücke
verarbeiten und am Ende über die Gestaltung des Abends entscheiden.
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Einladend! |
Der nächste
Tag bringt uns raus an den Rand der Stadt zum Atomium, das Wahrzeichen Brüssels
schlechthin. Brüssel ohne Atomium geht gar nicht, unkt Dumont und soll Recht
behalten.
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Aug in Aug mit dem Atom |
Ursprünglich im Jahr 1958 für die erste Weltausstellung nach dem
zweiten Weltkrieg erbaut und in den 80iger restauriert, blinken neun silbrig
glänzende 102 Meter hohe Kugeln ein kurioses Willkommen. Mit 5 m pro Sekunde
beamt der Aufzug den Besucher in die höchste der neun Kugeln, von denen fünf begehbar
sind und außer in einer umfangreichen Ausstellung über das 165-Millionenfach
vergrößerte Molekül eines Eisenkristalls auch eine interessante Lichtshow
mit dem spannenden Titel "Out of Control" enthält.
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Out of Control - nichts für schwache Nerven |
Die rund um
das Atomium mittlerweile angesiedelten Touristenhighlights wie Brupark und
Mini-Europe sparen wir uns und flanieren lieber durch den Park van Laken, wobei
uns freilich der Eintritt in die königlichen Gewächshäuser verwehrt bleibt. Die
öffnen nur einmal jährlich im Mai/Juni ihre Pforten für Besucher.
Nicht weniger
interessant ist aber das im Süden der Stadt liegende und von den Brüsselern
heiß begehrte Wohnviertel Ixelle mit seinen versteckten Gärten, ausgefallenen
Läden und angesagten Restaurants.
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Typische Jugendstilfassade |
Hier finden vor allem Liebhaber der
Jugendstilarchitektur zahlreiche Beispiele eigenwilliger Fassaden, floraler
Formen von Glas- und Eisenbauten und dem typischen Art Déco Spiel zwischen Symmetrie
und Asymmetrie.
So viel Schönheit und Eleganz lassen wir in einem zum
Restaurant umgebauten historischen Eisenwarenladen mit köstlichen Miesmuscheln
und anderen Meeresfrüchten sacken.
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La Quinquaillerie, 45 rue du Page, Ixelles |
Was fehlt noch
nach so vielen Gebäuden, so viel Flanieren, so viel leckerem Essen? Ein wenig
Kultur! Eine ganze Handvoll hochrangiger Museen wartet am sog. Kunstberg auf
Kulturwillige.
Wir entscheiden uns am nächsten Morgen für das Musée Magritte, das Werdegang und
Schaffen der belgischen Ikone des Surrealismus schlechthin aufzeigt.
Rätselhafte und paradoxe Bilder zeugen davon, wie Magritte mit sich selbst und
seiner Welt haderte, wobei er ersteres nie zugegeben hat.
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Von hier geht es zu drei verschiedenen Museen |
Am Ende erstehe
ich im Museums Shop doch ein Buch über Art Déco und freue mich über den herrlichen
Blick über Brüssel, den man vom Kunstberg aus gratis genießen kann.
Fazit: Brüssel
ist von allem etwas, hat von allem etwas. Es gibt zwar eine Tram, also
Straßenbahn, eine Métro, Busse und ähnlich wie in Paris die sog. Villos - am Straßenrand
ausleihbare Fahrräder - aber abgesehen vom Europaviertel, dem Atomium oder
Laken von Königs lässt sich alles wunderbar zu Fuß erkunden.
Im Grunde ist
Brüssel ohne Stadtplan erlaufbar. Irgendwann kommt man ganz einfach an jeder
größeren Sehenswürdigkeit automatisch vorbei. Hotels oder andere Unterkünfte
sind auch im urbanen Umfeld bezahlbar.
Wer gerne gut
isst, ist hier bestens aufgehoben.
Restaurants und Brasserien gibt es an jeder
Straßenecke, nur im Zentrum muss man sich ein bisschen vor Touristennepp hüten.
Für die daheimgebliebenen Haus- und Katzensitter eignen sich Bier, Pralinen oder
ein Schnäppchen vom Flohmarkt der Marollen als Mitbringsel.
Es reichen locker
zwei Übernachtungen, um sich einen guten Überblick zu verschaffen und sogar ein
wenig ins Brüsseler Tag- und Nachtleben einzutauchen.
Infos:
Brüssel – DUMONT
– ISBN 9 783770 194329 – 9,99 Euro
Text
und Fotos: ©Andrea Steffen
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Köstliche Andenken für Zuhause! |