„Richtig!“ Der Mann war ein Schnellmerker.
„Sagen Sie mal, setzen Sie sich etwa auf den
Toilettendeckel?“
HALLO? „Selbstverständlich setze ich mich auf den
Toilettendeckel. Was glauben Sie was passiert, wenn ich mir morgens den
rechten Fuß auf dem linken Bein hüpfend eincremen würde, mit dem anderen schon eingecremten Fuß auf den Fliesen abrutsche, mit dem Kopf gegen die Badewannenkante pralle und beim Festhalten noch die beiden Handtuchhalter abreiße? Dann das ganze Blut, der ausgerenkte Lendenwirbel, die Prellung des Oberschenkels und der lockere Schneidezahn? Man müsste den Krankenwagen rufen. Und weil das Kind dann nicht ins Bad kann, kommt es direkt zu spät zur Schule. Das gibt wieder einen Strich. Hatten Sie früher viele Striche im Klassenbuch? Sowas will doch kein Mensch!“
Der Keramikfachabteilungsaußendienstmitarbeiter schaut mich an. Lange. Ein Punkt für mich. Glaube ich.
„Dann ist ja alles klar.“ Der Mann gibt sich unbeeindruckt. Ein Punkt für ihn.
„Was ist klar?“
„Dass die Puffer defekt sind. Man darf sich nämlich nicht
auf den Toilettendeckel setzen. Setzen Sie sich nie auf einen Toilettendeckel!
Sie glauben nicht, was das für Verletzungen geben kann. Ich habe sowas schon
gesehen und das sah nicht schön aus.“
Ach Du heiliger Strohsack. Der Mann hat also schon Sachen
gesehen, die ich weder sehen, noch mir vorstellen, noch selber erleben möchte.
„Hörsenma, das gibt’s doch gar nicht, dass man sich nicht
auf einen Klodeckel setzen soll. Das macht jeder und wenn es nur für den kurzen
Badezimmersmalltalk ist. Und außerdem legt man ja wohl ein Handtuch unter,
oder?“
Und auch das gibt’s doch gar nicht. Ich lasse mich mit
Mr. Klo-Profi doch wirklich auf eine Diskussion ein, was man darf und wenn ja
wie. Gleich diskutiere ich mit ihm noch die perfekte Haltung beim
Fußnägellackieren. Ich hab‘ se doch nicht mehr alle. Der soll den Deckel
austauschen und gut ist. Aber so einfach komme ich nicht davon.
„Ich rate Ihnen wirklich dringend davon ab, sich auf
einen Klodeckel zu setzen. In Europa gibt es mittlerweile nur noch zwei
Lieferanten von Kunststoffdeckeln und Vollholzdeckel werden per se nicht mehr
hergestellt. Auf die kann man sich setzen. Nicht aber auf die in Europa
fabrizierten.“
„Auf Sardinien gibt’s noch Vollholzdeckel.“
„Dann müssen Sie auswandern.“
Mir reicht’s. Ich bitte Herrn Dr. W.C. Spülung den
mitgebrachten Sitz auszutauschen. Mein Tag ist noch lang und ich wollte mir an
sich gleich noch die Fußnägel lackieren, auf dem Toilettendeckel sitzend. Aber
das verrate ich ihm nicht.
Der Mann geht ans Werk, professionell. Zumindest kniet er
mal nieder. Wenigstens diese Geste als kleines Entgegenkommen für die vielen
Mails, Telefonate und ungewollten Klositztechnikbelehrungen lasse ich mir
gefallen.
„Und mit was reinigen Sie Ihr WC denn so?“
Wie ich derartige Fragen hasse. Das geht den Kerl doch
sowas von gar nichts an.
„Wieso?“
„Schauen Sie doch mal hier. Hier setzt sich so langsam
ein hellgelber Rand ab. Das kommt davon, wenn man nach dem Reinigen den Deckel
wieder zuklappt. Die Dämpfe des Reinigungsmittels steigen auf und setzen sich
langsam auf dem Kunststoff fest. Ich schätze Sie reinigen mit Essigreiniger.“
Eines muss ich sagen. Der Kerl hat’s drauf.
„Also, nach dem Reinigen das Klo erst mal lüften. Und die
Scharniere, die dürfen Sie aber auf gar keinen Fall mit Essigreiniger putzen.
Das lässt sie langsam korrodieren. Sehen Sie hier. Er zeigt mir nach der
Demontage einen grünen Rand UNTER den Scharnieren. Da dürfen Sie nur mit milder
Seifenlauge dran. Und nehmen Sie ja nie etwas, was aufgesprüht wird. Das muss
immer mit ganz viel Wasser abgebraust werden, sonst zerfrisst es die Scharniere
von innen. Und Sie brauchen was gegen Bakterien, aber das wissen Sie ja.“
Weiß ich nicht. Ein regelmäßig geputztes Klo braucht kein
kill-all-keims.
Ich lasse ihn dozieren. Er hat ja sicherlich recht. Er
kennt sich aus und das Klo ist sein Ding. Meins nicht, außer zum Sitzen.
Er schraubt und rückt und spült und lässt den Deckel auf-
und zuploppen. Dann besieht er sich sein Werk. Perfekt. Muss man ihm lassen.
Und so schön neu.
„Und am besten stellen Sie sich dann demnächst hier ein
einen Badezimmerhocker hin, auf den Sie sich setzen können.“
Der Mann ist voller Ideen. Klasse!
Ich unterschreibe ihm seinen Laufzettel, wünsche gute
Fahrt und bedanke mich artig.
Dann atme ich auf.
Als ich wieder nach oben komme, sehe ich wie unser Kater
mit einem geschmeidigen Satz auf das WC springt. Er setzt sich, dreht sich zu mir und guckt
kokett.
Und damit ist Sitzen beschlossene Sache!
Text und Fotos: ©Andrea Steffen