Geliebter!
Du machst
mich an. Natürlich bist du wolllüstig. Ich sehe es dir doch an. Ich finde das
schön, also kein Problem. Woher ich das weiß? Du müsstest dich sehen!
Du meinst
also, du wärest eher so der zarte Typ, der gemächliche Liebhaber, austestend, kostend. Auch
das. Ich gebe dir recht. Und stürmisch und leidenschaftlich, manchmal mit einer
melancholischen Note. Allerdings auch unberechenbar. Dich einzuschätzen, fällt
mir schwer. Natürlich nehme ich dich so wie du bist. Immer wieder. Und immer
wieder gerne. Ich liebe deine Wärme und deine Großzügigkeit und ganz besonders deine
Poesie.

Wenn durch
einen kaum spürbaren Windhauch ganz leise die Blätter zu Boden sinken, ist das
reinstes Liebesgeflüster in meinen Ohren. Das Rascheln beim Gehen durch Laub
erzählt mir von sonnigen Abenteuern im vergangenen Sommer und deine letzten
warmen Sonnenstunden lassen mich im Liegestuhl so angenehm matt werden, wie nach einer langen
und erfüllten Liebesnacht. Nur zögerlich entlassen mich die länger werdenden
Schatten aus deiner wärmenden Umarmung. Und im nächsten Augenblick flirten deine keck
durchs Bambusgras blitzenden Sonnenstrahlen schon wieder mit mir.
Es braucht
nicht viel
und du verführst mich mit der süßen Säure der ersten Äpfel. Die
Schale von reifen Pflaumen platzt förmlich unter meinen Zähnen und das
Fruchtfleisch ist so seidig weich wie sonst nur Lippen es sind. Aber nicht
immer machst du es mir einfach. Braunglänzende Kastanien schäle ich aus der
stacheligen Hülle, aber nie ohne mich dabei zu stechen.
Schon klar,
wer hier der Stärkere ist. Liebster, du musst es mir nicht erst beweisen, in dem du
nachts die Dachpfannen klappern lässt und Blumenkübel über die Terrasse schiebst.
Ich mag es nicht, wenn du laut wirst, aber das interessiert dich wenig. Ach so,
das sind die Tage nach dem Novemberblues, wenn Himmel und Erde in nebligen
Nuancen ineinander fließen. Du lärmst und wütest und schüttest übelläunig Kühle und Nässe
über jeden. Nicht nett. Aber typisch Künstler.
Wenn du
anschließend ganze Häuserwände mit flammend rotem, wildem Wein übergießt und Ahornbäume
die Farben wechseln lässt wie es sonst nur ein Chamäleon kann, dann verzeihe
ich dir. Dann kann ich dir nicht länger böse sein, streife mit den Fingerspitzen über
die tiefblauen Blüten der Veronika und fange mit dem Herzen schnell noch ein paar bunte Tupfer,
bevor du dich für ein ganzes Jahr verabschiedest, Geliebter.
Labels: Leidenschaft, Licht, Liebe